Dienstag, 15. April 2008

Zwei Texte ueber Tropen

Tropendepression
Es ist nicht die Hitze oder die feuchte Luft, auch nicht Palmen oder die obligatorische Reggaemusik. Was an dem tropischen Strand-Holiday-Party-Ressort nicht passt, bin ich.
Strand rauf und runterlaufen - ok, kann man machen. Dann ist der Strand zuende. Rundgang durch Souvenirshops und die Galerien mit Bildern einheimischer Kuenstler. Auch in Ordnung. Dann sind zwei Stunden um. Und dann?

Die Frage stelle ich mir nicht als erster. Denn um den Satz "Ich hab Heimweh nach Recklinghausen" fuer die Dauer eines Strandurlaubs zu unterdruecken, hat sich eine HighTech Beschaeftigungsindustrie herausgebildet, die jeden mit dem Auto erreichbaren Strandabschnitt erfasst.

Da gibt es die Klassiker wie die Boetchenrundfahrt oder - fuer den pralleren Geldbeutel - den Rundflug ueber die Insel, wahlweise im knatternden Hubschrauber (bitte noch pralleren Geldbeutel mitbringen).

Etwas weniger klassisch sind die "Das kann ich doch auch"-Geraete fuer die Zielgruppe Maenner zwischen 20 und 40. Da findet man Quads und Motocross Bikes und diese Jetskis, die einen Hoellenlaerm machen und in der Regel in Strandnaehe und im Kreis gefahren werden. Hoellenlaerm ist wichtig, sonst bemerkt einen ja keiner. Hab noch nie eine Frau auf so einem Ding gesehen.

Die dritte Kategorie sind die Hinterherziehgeraete. Ein Klassiker der 90er Jahre und immer noch im Programm ist das Banana-Boot. Da sitzen etwa acht Leute auf einem fehlkonstruierten Schlauchboot, das einen viel zu hohen Schwerpunkt hat, weshalb es auch andauernd umkippt. Das finden dann die Leute lustig - die am Strand liegen und zuschauen. Jetzt kann man sich in allem moeglichen Zeugs aus Neopren und Gummi hinter einem Motorboot herziehen lassen; die Form variiert, das Konzept nicht.

Anstatt uebers Wasser kann man sich auch durch die Luft ziehen lassen, an einem zerfetzten Fallschirm und ebenfalls hinter einem Boot. Das nennt sich dann Parasailing und es lohnt sich. Es lohnt sich, den Begriff bei Youtube einzugeben, vielleicht noch ergaenzt um ein Suchwort wie "Crash" oder "dumm gelaufen".

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Sunset Bore
"Ja klar will ich den Sonnenuntergang sehen, das ist doch soooo romatisch". - Ist es nicht.

Man sitzt im Sand und es wird dunkel. Wenn das zuende ist, brechen Paerchen und Familien wieder auf und fahren im 4WD eine Pizza essen, gehen in eine Bar oder ins Kino. Zurueck bleibt Picknickmuell und Sand, der die offene Wunde zwischen den Zehen scheuert.

Verstehen koennte ich es ja in Nordnorwegen. Wenn man da den falschen Tag erwischt, geht die Sonne unter und bleibt fuer eine ganze Weile weg. Da kann man schonmal tschuess sagen. Ob die Nordnorweger das tun? Ich war da noch nie.

Ueberhaupt ist Nordnorwegen ein Begriff, den ich von Marcel Reich-Ranicki habe. Er interessiere sich nicht fuer Geschichten, die in der niedersaechsischen Provinz oder in Nordnorwegen spielen. MRR hatte den Begriff schon einige Jahre im Programm, da veroeffentlichte ein deutscher Schriftsteller einen Roman, der ausgerechnet in Nordnorwegen spielte. Und da das Werk auch allgemein fuer sehr gelungen befunden wurde, kam auch MRR nicht umhin, einen Roman zu loben, der in Nordnorwegen spielt.

Seitdem liest oder hoert man nur noch wenig von Nordnorwegen, und ich mache es mir zur Aufgabe, diesen schoenen Begriff Nordnorwegen ein wenig zu pflegen und ihn gelegentlich niederzuschreiben, bevor er gaenzlich verschwindet. Man weiss nicht, ob er wiederkommt und sieht ihm beim Untergehen zu. Tschuess Nordnorwegen. - Gibt's hier ne Pizzeria in der Naehe?

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