Mittwoch, 30. April 2008

Wild Life

Hallo liebe Leser,

der Urlaub ist zuende, und ich wollte zuerst einen kleinen Roundup schreiben, eine Zusammenfasung. Aber Zusammenfassungen sind für Leute, die zu faul sind, den ganzen Roman zu lesen. Daher gibt´s auch hier keine Zusammenfassung.

Aber Bilder gibt´s, und zwar hier: http://picasaweb.google.com/Raphael.Darius/DownUnder2008

War´s das mit den Geschichten? Vorerst ja. Ich hab nicht alles, was ich aufgeschrieben habe, hier veröffentlicht und längst nicht alles, was mir bemerkenswert erschien, zu Papier gebracht. Vielleicht ein ander mal.
...
Na gut, dann eben doch jetzt. Kleine Statistik über meine Wildlifebegegnungen zum Schluss (zahme oder in Gefangenschaft gehaltene Tiere nicht eingerechnet):

* Kängurus: ein paar Gruppen im Outback
* Wallabys: eines (auf Philip Island)
* Opossums: eines (Melbourne)
* Pythons: einer
* Baumkängurus: eines
* Koalas: einer
* Riffhai: einer
* 50Cent: einer (Sydney Airport)

50Cent? Yep, genau der. Als ich am Flughafen von Sydney aus dem Bus aussteige, hält eine Kolonne schwerer, schwarzer Geländefahrzeuge wenige Meter hinter mir. Aussteigen ein paar ebenfalls schwere, schwarze Männer. Die meisten gehen direkt zum First- und Business-Class Check In, wenige andere zum Economy Check In.

Ich erinnere mich: hatte gestern gelesen, dass 50Cent am selben Abend auftritt. Nun fliegt man mit US Airways zurück nach L.A. Als die Economy Rapper kurz vor dem Check In sind, werden sie herausgewunken und zum First-/Business Check In geführt. - Wow, so einfach geht das also mit dem Upgrade.

Bei mir hat das nicht geklappt. Dabei habe ich mich bei der Beantwortung der Fragen der Qantas Mitarbeiterin streng and die einschlägige Diktion gehalten: "Aww man...who the fuck is callin'?..I don't even wanna answer this shit...Hello?" (aus Gun Runners, Album Power of the Dollar)

Dienstag, 22. April 2008

Alles auf eine Karte gesetzt

Bin ich fortschrittsfeindlich oder nicht anpassungsfaehig, wenn ich sage, dass ich Schluesselkarten in Hotels einfach nur scheisse finde? Wenn das Rad der Hoehepunkt der Erfindungen der Menscheheit ist, ist die Schluesselkarte das genaue Gegenstueck. Das Rad sorgt fuer Mobilitaet, wir haben mit beraederten Maschinen die Welt bereist und den Weg zum Baecker verkuerzt. Mit Raedern kommt jeder ueberall hin. Mit Schluesselkarten kommen nur wenige an ausgesuchte Orte.

Schluesselkarten verschleiern ihre Funktionalitaet. Ein Schluessel hat grobe oder feine Zaehne oder kleine kegelfoermige Vertiefungen, je nach Sicherheitsbeduerfnis. Einem Magnetstreifen sehe ich nicht an, ob er mich in den Fahrradkeller laesst oder in die Schaltzentrale des Atomkraftwerks. Ich sehe noch nichtmals, ob es ueberhaupt ein Schluessel ist.

Vor ein paar Jahren hatte ich schon ein aergerliches Erlebnis in einem Hotel der Sorte, die man sich von seinem Arbeitsgeber bezahlen laesst. Kam nicht rein, musste mehrmals zwischen viertem Stock und Rezeption pendeln. "Computerfehler" sagt die Dame vom Empfang. Aber Computerfehler sind immer Menschenfehler.

Mittlerweile findet man sie auch in Backpacker Accomodations wie hier in Sydney. Ich entdecke, dass meine "Swipe-Card" nicht richtig funktioniert just in dem Moment, als ich morgens aus der Dusche komme und wieder ins Zimmer zurueck will. Das elektronische Schloss blinkt mich freundlich und in gruen an und bleibt zu. Noch ein Versuch, zwei, drei - nix. Es ist gerade so, als haette mein Zimmerschluessel ploetzlich seine Zaehne verloren.

Fuer die nun folgende Situation haette ich gerne eine Kamera zur Hand gehabt. Die Fahrstuhltuer im 5. Stock oeffnet sich, und ich tapse mit der groesstmoeglichen Selbstverstaendlichkeit, die man an den Tag legen kann, wenn man sich in Schlafunterwaesche - Boxershorts und T-Shirt - unter Menschen begibt, hinein, wuensche den anderen Gaesten einen guten Tag und druecke auf "Ground Level", wo sich die Rezeption befindet. "Der faehrt aber erstmal rauf", sagt jemand. Wunderbar. So hab ich ich noch mehr Zeit, diese Peinlichkeit vollkommen auszukosten und die betreten Gesichter zu studieren, die zwei aelteren Damen, die irritiert wegschauen, die zwei jungen blonden Chicks und jeden weiteren zusteigenden Gast in jedem einzelnen Stockwerk, drei rauf und acht runter.

An der Rezeption erhalte ich meine neue Karte. Im Fahrstuhl nach oben laeuft eine grauenhafte Easy Listening Musik, so populaere Klassik mit soften elektronischen Beats unterlegt. Im 1. Stock steigt ein Typ ein, etwa dreissig. Ich trage meine bluetenweisse und etwas zu knappe Qantas Boxershorts, ein genauso weisses Qantas T-Shirt und muss mit meinem loechrigen Bart aussehen, wie ein Engel, der die Gesellenpruefung nicht bestanden hat, aber die Arbeitskleidung behalten durfte.
"This is really weird music", bemerkt er.

Muss ein Aussie gewesen sein. Good day for it.

Didgie Danny

Danny hat einen kleinen Laden in Cairns und verkauft Didgeridoos und ein wenig aboriginal Art, ein Paar Bumerangs dazu. Etwa 100 ausgehoehlte Eukalyptusstaemme, kunstvoll bemalt und geschnitzt oder puristisch mit Schutzlasur und in allen Tonlagen von C' bis F''. Danny ist mit einer Deutschen aus Rodgau verheiratet, er kennt Darmstadt und wir kommen ins Plaudern. Danny traegt heute Schuhe, das sei ungewoehnlich, meint er, aber es sein schliesslich bald Winter. Ich schwitze.

"Why don't you try some of these Didgies?", fragt er mich, und ich erhalte eine persoenliche Lektion in Zirkularatmung. Sehr nett von Danny, denn ich hatte schon vorher klargestellt, dass ich es nicht im Rucksack mitschleppen moechte und daher nicht kaufwillig bin. Aber das ist Danny egal. Er will seinen Kunden nichts andrehen. Er will einen schoenen Tag haben.

Ich kaufe drei Bumerangs.

Dannys Laden: http://universaljoint.net.au

Sonntag, 20. April 2008

Ein grauer Bumerang im Meer

"Nur mal dem Riffhai sagen" - haha, ganz tolles Wortspiel, Raphael, wirklich sehr sehr komisch. Gestern kam es dann wie ein Bumerang zurueck.

Gestern war mein zweiter Trip zum Riff, diesmal an das "Outer Reef", etwa 50 Kilometer von der Kueste entfernt. Danach kommt nix mehr, nur noch endloser Pazifik. Die Sicht ist hier besser, das Riff ist (noch) vielfaeltiger. Ich sehe die schoenen bunten Fische, die ich als Kind in ein Sammelalbum von Hans Hass - wem sagt der noch etwas? - eingeklebt habe. Man schwimmt an der Riffkante entlang oder sucht sich einen Weg in kleinere Pools, die das Riff gebildet hat. Hier ist immer am meisten los. Putzerfische machen den Carwash, Revierkaempfe werden ausgetragen und auf dem sandigen Grund wartet eine Leoparden Seegurke darauf, ihre Eingeweide auszuspeien und sich so gegen einen Angreifer zu verteidigen.

Die machen sowieso komische Dinge hier. Geschlechterwechsel zum Beispiel ist an der Tagesordnung. Nehmen wir die Clownfische, die aus "Findet Nemo". Eine Anemone wird immer von einer Familie Clownfische bewohnt und beschuetzt. Wird das Weibchen gefressen (oder entfuehrt oder ist nur mal eben Zigaretten holen) durchlaeuft das verbleibende Maennchen eine Reihe hormoneller Veraenderungen und verwandelt sich nach ein Paar Tagen in ein Weibchen. Von Maennlichkeit ueber Metrosexualitaet zu praller Weiblichkeit - also ungefaehr Tom Selleck - David Beckham - Vivien Leigh. Aber wie haette Disney/Pixar das amerikanischen Grundschuelern verklickern koennen?

Zurueck zu dem Pools am Opal Reef und zu der Frage, wie ein olles Wortspiel ein Bumerang werden kann. Ich schwimme durch einen Pool und bin ein paar Meter von einem Durchgang in einen anderen Pool, als er ploetzlich auftaucht. Genau genommen: er taucht gerade nicht auf, sondern bleibt unten, etwa fuenf Meter vor und drei Meter unter mir, schwingt seinen schlanken grauen Koerper ein paar Mal hin und her, dieser endlos elegante Schwimmer, und zieht langsam weiter ins Riff, dort wo sein Zuhause ist, der Riffhai. Gesagt hat er nichts, hat mich einfach ignoriert, was mir bei allem Heldenmut, den man beim Bloggen am Tag drauf glaubt gehabt zu haben dann auch ganz recht ist. G'day Reefshark!

Ich verspreche, keine weiteren Wortspiele ueber das australische Wildlife mehr zu machen. Das kann nur nach hinten losgehen. Nachher werden mir die Viecher noch spinnefeind und ich darf dann in der Notaufnahme Schlange stehen.

Donnerstag, 17. April 2008

Riff Raff

Wie lautet der Plural von Riff - Riffe oder Riffs? Kommt wohl drauf an, ob man an Australien denkt, dann ersteres, oder an Keith Richards, dann letzteres. Keith Richards hat, so sagt man, mindestens 50 Prozent aller gueltigen Gitarrenriffs erfunden. Aber das gehoert nicht hierher oder nur am Rande oder nur deshalb, weil das Leben eine Schallplatte ist. Vielleicht es das aber auch nicht und das Leben ist einfach nur das, was wirklich ist und nicht das, was gespielt wird.

Das Great Barrier Reef im Nordosten Australiens jedenfalls ist der Keith Richards unter den Korallenriffen, wenn auch wesentlich schoener. Und groesser, etwa 2.000 Kilometer lang, weshalb man es den groessten Organismus der Erde nennt. Ein Tagesausflug kann nicht den kleinsten Eindruck geben, um was fuer ein gewaltiges Gebilde es sich handelt. Aber es ist ein gutes Gefuehl, diesem Giganten einen Besuch abzustatten und schnorchelnderweise auf die ueberbordende Vielfalt und Schoenheit des Riffs und seiner Bewohner zu blicken. Mehr wollte ich ja auch nicht, als nur mal dem Riffhai zu sagen.

Dienstag, 15. April 2008

Zwei Texte ueber Tropen

Tropendepression
Es ist nicht die Hitze oder die feuchte Luft, auch nicht Palmen oder die obligatorische Reggaemusik. Was an dem tropischen Strand-Holiday-Party-Ressort nicht passt, bin ich.
Strand rauf und runterlaufen - ok, kann man machen. Dann ist der Strand zuende. Rundgang durch Souvenirshops und die Galerien mit Bildern einheimischer Kuenstler. Auch in Ordnung. Dann sind zwei Stunden um. Und dann?

Die Frage stelle ich mir nicht als erster. Denn um den Satz "Ich hab Heimweh nach Recklinghausen" fuer die Dauer eines Strandurlaubs zu unterdruecken, hat sich eine HighTech Beschaeftigungsindustrie herausgebildet, die jeden mit dem Auto erreichbaren Strandabschnitt erfasst.

Da gibt es die Klassiker wie die Boetchenrundfahrt oder - fuer den pralleren Geldbeutel - den Rundflug ueber die Insel, wahlweise im knatternden Hubschrauber (bitte noch pralleren Geldbeutel mitbringen).

Etwas weniger klassisch sind die "Das kann ich doch auch"-Geraete fuer die Zielgruppe Maenner zwischen 20 und 40. Da findet man Quads und Motocross Bikes und diese Jetskis, die einen Hoellenlaerm machen und in der Regel in Strandnaehe und im Kreis gefahren werden. Hoellenlaerm ist wichtig, sonst bemerkt einen ja keiner. Hab noch nie eine Frau auf so einem Ding gesehen.

Die dritte Kategorie sind die Hinterherziehgeraete. Ein Klassiker der 90er Jahre und immer noch im Programm ist das Banana-Boot. Da sitzen etwa acht Leute auf einem fehlkonstruierten Schlauchboot, das einen viel zu hohen Schwerpunkt hat, weshalb es auch andauernd umkippt. Das finden dann die Leute lustig - die am Strand liegen und zuschauen. Jetzt kann man sich in allem moeglichen Zeugs aus Neopren und Gummi hinter einem Motorboot herziehen lassen; die Form variiert, das Konzept nicht.

Anstatt uebers Wasser kann man sich auch durch die Luft ziehen lassen, an einem zerfetzten Fallschirm und ebenfalls hinter einem Boot. Das nennt sich dann Parasailing und es lohnt sich. Es lohnt sich, den Begriff bei Youtube einzugeben, vielleicht noch ergaenzt um ein Suchwort wie "Crash" oder "dumm gelaufen".

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Sunset Bore
"Ja klar will ich den Sonnenuntergang sehen, das ist doch soooo romatisch". - Ist es nicht.

Man sitzt im Sand und es wird dunkel. Wenn das zuende ist, brechen Paerchen und Familien wieder auf und fahren im 4WD eine Pizza essen, gehen in eine Bar oder ins Kino. Zurueck bleibt Picknickmuell und Sand, der die offene Wunde zwischen den Zehen scheuert.

Verstehen koennte ich es ja in Nordnorwegen. Wenn man da den falschen Tag erwischt, geht die Sonne unter und bleibt fuer eine ganze Weile weg. Da kann man schonmal tschuess sagen. Ob die Nordnorweger das tun? Ich war da noch nie.

Ueberhaupt ist Nordnorwegen ein Begriff, den ich von Marcel Reich-Ranicki habe. Er interessiere sich nicht fuer Geschichten, die in der niedersaechsischen Provinz oder in Nordnorwegen spielen. MRR hatte den Begriff schon einige Jahre im Programm, da veroeffentlichte ein deutscher Schriftsteller einen Roman, der ausgerechnet in Nordnorwegen spielte. Und da das Werk auch allgemein fuer sehr gelungen befunden wurde, kam auch MRR nicht umhin, einen Roman zu loben, der in Nordnorwegen spielt.

Seitdem liest oder hoert man nur noch wenig von Nordnorwegen, und ich mache es mir zur Aufgabe, diesen schoenen Begriff Nordnorwegen ein wenig zu pflegen und ihn gelegentlich niederzuschreiben, bevor er gaenzlich verschwindet. Man weiss nicht, ob er wiederkommt und sieht ihm beim Untergehen zu. Tschuess Nordnorwegen. - Gibt's hier ne Pizzeria in der Naehe?

Sonntag, 13. April 2008

Asiatische Duldungsstarre

Noch eine kleine Geschichte vom Greyhound. Der Nachtbus von Rockhampton nach Townsville wird etwa elf Stunden brauchen. Der Platz neben mir ist frei, und ich mache es mir bequem.
Nach zwei oder drei Stunden steigt ein Aussi ein, kraeftig gebaut, verschmutzte Klamotten, zerrissenes Hemd und eine sehr sehr durchsetzungsfaehige Alk-Fahne. Er baut sich im Gang auf, ruelpst laut, dreht sich nach rechts zu einer zierlichen Asiatin - die ich der Einfachheit halber zur Japanerin erklaere - schleudert ihr ein breites "How ya goin' mate?" entgegen und setzt sich neben sie. Da hat der Greyhound Buchungscomputer ein nettes Paar zusammengelost.

Die Japanerin bewegt sich nicht und wird sich auch bis zur Ankunft in Townsville nicht bewegen. Dort steigen beide aus. Die Japanerin hat ueberlebt und in ihrem Gesicht finden sich keine Spuren von dem aesthetischen Martern der naechtlichen Fahrt.

Und hier kommt die Pointe: Der Bus war vielleicht zu einem Drittel gebucht. Sie haette jederzeit den Platz wechseln koennen und wahrscheinlich sogar niemanden neben sich gehabt.