Dienstag, 22. April 2008

Alles auf eine Karte gesetzt

Bin ich fortschrittsfeindlich oder nicht anpassungsfaehig, wenn ich sage, dass ich Schluesselkarten in Hotels einfach nur scheisse finde? Wenn das Rad der Hoehepunkt der Erfindungen der Menscheheit ist, ist die Schluesselkarte das genaue Gegenstueck. Das Rad sorgt fuer Mobilitaet, wir haben mit beraederten Maschinen die Welt bereist und den Weg zum Baecker verkuerzt. Mit Raedern kommt jeder ueberall hin. Mit Schluesselkarten kommen nur wenige an ausgesuchte Orte.

Schluesselkarten verschleiern ihre Funktionalitaet. Ein Schluessel hat grobe oder feine Zaehne oder kleine kegelfoermige Vertiefungen, je nach Sicherheitsbeduerfnis. Einem Magnetstreifen sehe ich nicht an, ob er mich in den Fahrradkeller laesst oder in die Schaltzentrale des Atomkraftwerks. Ich sehe noch nichtmals, ob es ueberhaupt ein Schluessel ist.

Vor ein paar Jahren hatte ich schon ein aergerliches Erlebnis in einem Hotel der Sorte, die man sich von seinem Arbeitsgeber bezahlen laesst. Kam nicht rein, musste mehrmals zwischen viertem Stock und Rezeption pendeln. "Computerfehler" sagt die Dame vom Empfang. Aber Computerfehler sind immer Menschenfehler.

Mittlerweile findet man sie auch in Backpacker Accomodations wie hier in Sydney. Ich entdecke, dass meine "Swipe-Card" nicht richtig funktioniert just in dem Moment, als ich morgens aus der Dusche komme und wieder ins Zimmer zurueck will. Das elektronische Schloss blinkt mich freundlich und in gruen an und bleibt zu. Noch ein Versuch, zwei, drei - nix. Es ist gerade so, als haette mein Zimmerschluessel ploetzlich seine Zaehne verloren.

Fuer die nun folgende Situation haette ich gerne eine Kamera zur Hand gehabt. Die Fahrstuhltuer im 5. Stock oeffnet sich, und ich tapse mit der groesstmoeglichen Selbstverstaendlichkeit, die man an den Tag legen kann, wenn man sich in Schlafunterwaesche - Boxershorts und T-Shirt - unter Menschen begibt, hinein, wuensche den anderen Gaesten einen guten Tag und druecke auf "Ground Level", wo sich die Rezeption befindet. "Der faehrt aber erstmal rauf", sagt jemand. Wunderbar. So hab ich ich noch mehr Zeit, diese Peinlichkeit vollkommen auszukosten und die betreten Gesichter zu studieren, die zwei aelteren Damen, die irritiert wegschauen, die zwei jungen blonden Chicks und jeden weiteren zusteigenden Gast in jedem einzelnen Stockwerk, drei rauf und acht runter.

An der Rezeption erhalte ich meine neue Karte. Im Fahrstuhl nach oben laeuft eine grauenhafte Easy Listening Musik, so populaere Klassik mit soften elektronischen Beats unterlegt. Im 1. Stock steigt ein Typ ein, etwa dreissig. Ich trage meine bluetenweisse und etwas zu knappe Qantas Boxershorts, ein genauso weisses Qantas T-Shirt und muss mit meinem loechrigen Bart aussehen, wie ein Engel, der die Gesellenpruefung nicht bestanden hat, aber die Arbeitskleidung behalten durfte.
"This is really weird music", bemerkt er.

Muss ein Aussie gewesen sein. Good day for it.

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